Silvesterangst bei Hunden

Das sogenannte „Jahresendfest“, wie es der Überlieferung nach seit dem Jahr 153 v. Chr. im römischen Reich gefeiert wurde, ist für uns Menschen in der Regel mit viel Vorfreude verbunden. Die sogenannten „Feuerfeste“ werden geschichtlich den Germanen zugeschrieben (Quelle 1). Unter den alten und neuen Bräuchen gehören solche wie Blei gießen, Rummelpottlaufen, die Karpfenschuppe bis hin zum Glücksklee wohl zu den harmloseren Bräuchen – zumindest aus der Perspektive unserer Vierbeiner. Der ein oder andere unserer treuen Begleiter zuckt bereits beim Knallen von Sektkorken zusammen und wir alle wissen wohl, welches Drama die „Knallerei“ um den Jahreswechsel herum für unsere Vierbeiner bedeutet. Mancher Hundehalter fährt am Silvesterabend sogar in entlegene Waldgebiete, um der Geräuschkulisse zu entgehen. Bei näherer Betrachtung der Herkunft des Namens Silvester (Waldmensch, von lateinisch silva = Wald) scheint dies sogar eine gute Idee zu sein.

Gründe für Silvesterangst

Neben, unter Umständen, traumatischen Erlebnissen spielen auch die Instinkte unserer Haustiere bei Gefahr eine Rolle. Rein medizinisch ist zunächst festzuhalten, dass unsere Haushunde, im Gegensatz zu uns Menschen, nicht nur, wie allgemein bekannt ist, einen deutlich effektiveren Gehörsinn vorweisen können. Vielleicht ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Ihr Hund ganz plötzlich auf Geräusche reagiert, noch bevor Sie etwas wahrgenommen haben? Auch hier haben sich Hunde – im Übrigen genauso wie Katzen – einen ausgezeichneten Gehörsinn bewahrt, um Gefahren zu erkennen. Das Gehör unserer Vierbeiner reicht von 20 Hz bis 60.000 Hz. Sie hören also nicht nur viel höhere Frequenzen als wir Menschen – unser Gehör kann Frequenzen von bis zu 20.000 Hz wahrnehmen – sondern auch Ultraschall. (Quelle 2). Neben der Lautstärke der Silvesterknallkörper von 130 – 175 Dezibel ein weiterer Grund, warum unsere Tiere wesentlich sensibler reagieren. Mit einer in der Regel aufrechten und beweglichen Ohrmuschel mit unzähligen Muskelgruppen lassen sich Geräusche sehr gut lokalisieren.
Dass laute Geräusche schlecht bis gar nicht vertragen werden, lässt sich nicht nur auf die sensiblen Ohren unserer Hunde zurückführen, sondern kann auch daran liegen, dass der Hund im Welpenalter von allen lauten Geräuschen abgeschirmt wurde und sich so nicht an Lärm gewöhnen konnte. Er ist es schlichtweg nicht gewohnt und flüchtet dann panisch.

Hilfe bei Silvesterangst

Um Hunden mit Silvesterangst zu helfen, gibt es zwei Ansätze: Den verhaltenstherapeutischen Ansatz und den „medikamentösen“ Ansatz. Beide Ansätze können getrennt voneinander verfolgt werden, sollten im Idealfall für optimale Ergebnisse aber gemeinsam und in Kombination angewendet werden.

Verhaltenstraining und Angstmanagement

Bei der Verhaltenstherapie versucht man mit Desensibilisierung den Hund auf Geräusche und Lärm vorzubereiten. Dabei geht es darum, nach und nach die Toleranz für laute Geräusche zu erhöhen und passendes Verhalten des Hundes zu belohnen.
Die Verhaltenstherapie ist aber nicht nur für den Hund, sondern auch für den Besitzer wichtig, denn er muss lernen, wie er sich selbst im Falle von Panik und Angst beim Hund zu verhalten hat. Oft reagieren Besitzer von Angsthunden falsch und bestärken ihr Tier noch in ihrer Angst. Verhaltenstraining kann beiden Parteien helfen, den Gegenüber besser zu verstehen und angemessen auf die Situation zu reagieren.

Mittel zur Beruhigung

Zunächst sollten wir hier unterscheiden zwischen schulmedizinischen Beruhigungsmitteln (sogenannte Sedativa), der Gruppe der Pheromone und Aminosäuren, den Phytotherapeutika (Pflanzenstoffen) und den Homöopathika.
Bevor wir uns den einzelnen Möglichkeiten widmen, sollten wir uns alle nochmal bewusst machen, dass neben dem akut einsetzen Stress für beide Enden der Leine gilt: Jemand der grundsätzlich an chronischem Stress unterschiedlichster Genese leidet, der reagiert in besonders kritischen Momenten auch besonders stark. Andersherum: Je ausgeglichener der sogenannte Habitus im gewohnten Umfeld, umso entspannter kann die akute Entstehung von Ängsten bewältigt werden. Hier sollte unabhängig von Silvester frühzeitig mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen gegengesteuert werden (siehe oben).

Sedativa

Tierärztlich verordnete Sedativa oder Beruhigungsmittel sollen hier nur kurz erwähnt werden. Diese Medikamente aus den Wirkstoffgruppen der Barbiturate, Benzodiazepin oder Acepromazin sollte aus naturheilkundlicher Sicht das letzte Mittel der Wahl sein. Bei aller Berechtigung im akuten Fall werden auch sogenannte „paradoxe Wirkmechanismen“, die die Symptome, Geräuschempfindlichkeit und Entstehung von Ängsten noch verstärken, beschrieben. Den Einsatz gilt es daher gut abzuwägen und vorher mit dem behandelnden Tierarzt abzusprechen.

Pheromone und Aminosäuren

Die wohl bekannteste Aminosäure L-Tryptophan als Vorstufe des Glückshormons Serotonin ist als Ergänzungsfuttermittel für Tiere mit verschiedenen Produkten am Markt vertreten. Die Gabe ist durchaus einen Versuch wert, der Halter sollte nur beachten, dass die Wirkung nicht sofort eintritt und die Gabe mindestens 14 Tage vor dem angstauslösenden Ereignis begonnen werden sollte. Die Gabe sollte nur unterstützend und in keinem Fall dauerhaft und über längere Zeiträume erfolgen, da hier ggf. ein anderes gesundheitliches Problem kaschiert werden könnte.

Eine weitere Herangehensweise sind die sogenannten Pheromone, welche in Form von Zerstäubern oder Halsbändern gebrauchsfertig angeboten werden. Bei Pheromonen handelt es sich um spezielle Botenstoffe – oder noch einfacher Duftstoffe – die in der Natur in unterschiedlichen Situationen der Kommunikation und Beruhigung unter vierbeinigen Artgenossen dienen. Das prominenteste Beispiel sind Pheromone, die von Muttertieren über die Gesäugeleiste an ihre Welpen übertragen werden.

Phytotherapie

Die Passionsblume und der Baldrian sind hier als prominenteste und sehr wirkungsvolle Vertreter aus der Pflanzenwelt zu nennen. Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass der Erfolg und die Wirkintensität höchst individuell ist. Was bei dem einen Vierbeiner eine hervorragende Unterstützung bietet, scheint bei dem Nachbarshund überhaupt nicht anzuschlagen. Auch hier gilt es, paradoxe Reaktionen in Erwägung zu ziehen. In den meisten Fällen liegt der Schlüssel hierbei in der (zu niedrigen) Dosierung und in der Frage ob mit Baldrianwurzelpulver oder Extrakt (letzterer ist deutlich konzentrierter) gearbeitet wird.

Insbesondere die Wirkungsweise bei Baldrian in Kombination mit Melisse sowie auch Lavendel sind in Ihrer anxiolytischen (=angstlösenden) Eigenschaft wissenschaftlich gut erforscht und finden auch in der Humanmedizin breiten Einsatz. (Quelle 3 und 4). Hier erfolgt nachweislich die Stimulation bestimmter Stresszentren im Stammhirn und dem angeschlossenen Hippocampus. Das Grundprinzip ist erfahrungsgemäß auch auf unsere Hunde übertragbar und mit erstaunlich positiven Effekten in der Praxis zu beobachten.

Hervorzuheben sind hierbei noch die besonderen Stressadaptogene. Der Wirkmechanismus dieser adaptogen wirkenden Pflanzenstoffe beruht auf einer positiven Beeinflussung des neuroendokrinen Systems, also der Ausschüttung und Regulation von Stresshormonen. Der Rosenwurz (Rhodiola Rosea) ist hier ein für Hunde sehr verträglicher und gut verfügbarer Vertreter aus dem Reich der Phytotherapie.

Grundsätzlich sind Phytotherapeutika auch miteinander kombinierbar, ergänzen und verstärken sich in vielen Fällen durch homöopathische Begleitung oder den Einsatz verschiedener Aromaöle. Ob Sie hier mit den prominenten Aromaölen Atlaszeder oder Lavendel arbeiten sollten? Probieren Sie es aus! Und was Herrchen und Frauchen beruhigt und guttut, das tut in der Regel auch Ihrem treuen Begleiter gut. Nutzen Sie bitte nur einen Ultraschallvernebler und 100 % reine Öle, um einen bestmöglichen Effekt zu haben.

Bei Unsicherheiten oder Fragen, wenden Sie sich an Ihren behandelnden Tierarzt oder Tiertherapeuten.

Sicherer Rückzugsort und Förderung von Wohlbefinden

Schaffen Sie für die ganze Familie einen sicheren Rückzugsort, der sich gut verdunkeln lässt, um die für uns möglicherweise sogar als ästhetisch empfundene Lichtshow der Raketen auszublenden. Versuchen Sie den Einsatz klassischer Musik oder stellen Sie das Radio an, um Knallgeräusche zu übertönen. Vielleicht fahren Sie auch an einen (Urlaubs-)Ort, an dem die Knallgeräusche gering sind oder Feuerwerk gesetzlich verboten ist. Ein etwas exotischer Tipp kommt aus dem Gaststättengewerbe: In einigen Großstädten bieten Hotels in Flughafennähe die Buchung von schallisolierten Zimmern an – planen Sie hier die letzte Gassirunde vor dem Mitternachtsfeuerwerk gut ein.

Beginnen Sie mit Einsatz von Phytotherapeutika, Homöopathika und anderen unterstützenden Maßnahmen im besten Fall bereits 4 Wochen vor dem Silvesterabend. Probieren und testen Sie was ihrem Vierbeiner hilft und finden Sie die Unterstützung für Ihren Hund. Alle Maßnahmen benötigen in der Regel etwas Zeit zum sogenannten „anfluten“ – dann steht einem entspannten Silvesterabend nichts im Wege.

Ein Beitrag von Tierheilpraktiker Karsten Höhne in Kooperation mit Lakefields.

Quelle 1:
https://de.wikipedia.org/wiki/Silvester#:~:text=Die%20Feuerfeste%20am%20Jahreswechsel%20gehen,auf%20das%20Jahr%201582%20zur%C3%BCck.
Quelle2:
https://www.geers.de/wissenswertes-tipps/wie-hoeren-tiere/
Quelle 3:
www.rosenfluh.ch/arsmedici-thema-phytotherapie-2011-05/anxiolytische-wirkung-einer-baldrian-melisse-kombination-2
Quelle 4:
https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/08_institute/rechtsmedizin/pdf/Schlafst%C3%B6rungen.pdf

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